"Kunst ist wie Licht ein sehr wichtiges Lebensmittel."


Interview mit Thomas Berger:


Was haben Sie schon erlebt, wenn unbekannte Menschen Ihr Unternehmen betreten und fast über die Skulptur von Renée Reichenbach stolpern?


Da nun diese Frage im Raum steht: Nichts, ich habe in den letzten Jahren nichts Besonderes erlebt. Denn es gibt von den Menschen, die sich überhaupt nicht für Kunst interessieren, gar keine Kommentare, nicht einmal ein überhebliches Naserümpfen. Und die an-deren, die sich auskennen, gratulieren einfach, lassen mich auch schon mal stehen, um die hier gezeigte Kunst zu würdigen. Ich verhalte mich bewusst still, um niemanden zu belästigen oder gar zu überfordern. Leider reicht selten die Zeit, um einen Dialog über Kunst zu führen.


Lohnt sich dann der ganze Kunst-Aufwand, den Sie in Ihrem Unternehmen betreiben?


Selbstverständlich, denn in anderem Fall gäbe es gar keine Kunst. Zwei Ebenen interessieren mich bei diesem Engagement. Die eine Ebene bin ich! Und ich will ohne Kunst nicht leben. Seitdem ich mich gründlich auf die Kunst eingelassen habe, und es natürlich immer noch tue, geht es mir sehr viel besser, auch hier auf allen Ebenen, als zu der Zeit, als Kunst nur „nebenbei“ war. Die andere Ebene sind die Künstler für mich. Ich erinnere sehr gerne, welch positiven Einfluss Renée Reichenbach mit ihrer unverwechselbaren Art auf den Betrieb hatte. Keiner wusste, dass Renée Reichenbach in Keramikerkreisen weltberühmt ist, alle staunten, welch wuchtige Arbeiten dieses zierliche Persönchen präsentierte; und fast jeder wollte unbedingt helfen, dass diese Ausstellung ein Erfolg wird. Der persönliche Umgang mit Künstlern eröffnet immer eine andere Perspektive. Jene dämliche Frage: „Was will uns der Künstler damit sagen?“ findet bei mir nicht mehr statt.


Was dürfen denn die Künstler bei Ihnen anrichten, ohne hinterfragt zu werden?


Alles. Denn bei der Umsetzung der Ausstellungen verlasse ich mich auf unseren ART-Berater. Der hat mir als Erstes gesagt: 51% meiner Leistung gehören den Künstlern, 49% dem Unternehmen, das bitte 100% bezahlen darf. Mit dieser Antwort kann ich prächtig leben. Darum bekommen die Künstler auch ein Honorar, daß sie überhaupt hier ausstellen und darum verzichten wir auch auf eine Beteiligung, wenn hier Kunst verkauft wird. Das ist übrigens eine sehr alte Forderung des Berufsverbandes der Bildenden Künstler, hier wird sie seit Jahren realisiert.


Warum ein Berater? Sie kennen sich selbst doch bestens aus.


Vielleicht und wenn, dann nur unter dem Aspekt meiner eigenen Befindlichkeit, also meiner emotionalen Bindung zur Kunst. Doch für eine Ausstellung, die sehr großes Ver-trauen voraussetzt, reicht mein Wissen um die Künstler nicht. Diese letzte Entscheidung, welches Objekt ist gut, und welches nicht, obwohl sie sich so ähneln, verlangt andere Kri-terien. Handwerk ist da sehr wichtig. Hört sich seltsam an, doch ich habe es selbst erlebt. Nur wenn der Künstler, oder die Künstlerin, wie erlebt, ihr ureigenes Handwerk beherrscht, hat die Qualität eine Chance, erkannt zu werden. Wie in allen anderen Berufen auch gilt es, sich vor Blendern zu schützen. Mir liegt daran, dass unsere Ausstellung JEDER Kritik standhält. Kunst, die nur für Momente gefällt, kann das nicht leisten.


Ist dieser sehr große Anspruch an die Kunst im Laufe der Zeit gewachsen? Sehen Sie eine Duplizität der Ereignisse? Einerseits lebt Ihr Unternehmen und ist des-wegen auch „berühmt“, von der handwerklich anerkannten Leistung, und andererseits gibt es diesen Anspruch der künstlerischen Freiheit. Wie paßt das unter einen Hut?


Die Beispiele für diesen Anspruch gibt es seit Jahrhunderten. Glauben Sie, Joseph Beuys, wäre ohne sein perfektes Handwerk weltberühmt geworden? Oder aktuell und auch weltberühmt, Gerhard Richter? Gute Künstler wissen um diese Voraussetzung und leben sie auch. Diese Parallele interessiert mich immer mehr. Eben, weil wir ein Hand-werksbetrieb sind. Der Unterschied liegt in der emotionalen und innovativen Qualität. Wenn wir eine Fassade montieren, hat Emotionalität im Ergebnis dort nichts zu suchen. Doch während wir dieses Objekt planen und dann umsetzen, ist eine ähnliche Leidenschaft gefragt. Und natürlich kreative Potenz, wenn rechte Winkel nur dreckig sein dürfen. Kunst ist in solchen komplexen Fällen mein Hafen. Im LichtWerk finde ich immer Anregungen, wie solche Abstrusitäten gelöst werden können. Darum ist mein Büro auch, neben meiner Wohnung, mein Kunsthort geworden.


Wissen Ihre Unternehmer-Kollegen um diesen hehren Anspruch?


Ich halte da nicht hinter dem Berg, doch wirklich begriffen hat das noch niemand. Denn wenn, müßten sie sich eigentlich meiner Kunst-Philosophie und meinem Kunst-Pragmatismus anschließen. Die Zeitschrift der Handwerks-Kammer Düsseldorf hat vor einigen Wochen in zwei Artikeln über und unser Kunstverständnis berichtet. Reaktion: NULL. Trotz der gigantischen Auflage dieser Zeitschrift. Die Kulturlosigkeit im Handwerk wird eines Tages noch böse Früchte tragen. Wer sich einseitig „ernährt“, darf sich über nichts wundern. Darum bin ich doch ein wenig stolz darauf, dass die Menschen mit kreativem Sensus dann doch mich mir alles über unsere Kunst wissen wollen. Meine größte Freude ist es, wenn ich im Gespräch meine Leucht-Seelandschaft anknipse und immer staunendes „BOH“ erlebe. Das tut einfach gut.


Wie ist die Ausstellung „Niederrheinischer Realismus“ zustande gekommen?


Wie immer. Der Berater hat Gisela und Jochen beauftrag, die Objekte von Renée Rei-chenbach zu fotografieren. Das Ergebnis ist sensationell, siehe das Plakat in meinem Büro. Die Logik daraus: Wer mit dieser Leidenschaft Keramik fotografiert, hat noch Anderes zu zeigen. Das hat mich sofort überzeugt. Mehr als mein Ja trage ich zu dieser Ausstellung nicht bei, und freue mich nun auf den Tag, dass ich als Veranstalter das Ergebnis erleben kann, mitten in unserem Unternehmen. Für das nächste Jahr haben wir das gleiche Motto gewählt: Niederrheinischer Realismus, in der Kunst, im Handwerk und im Leben.




                     

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